grenzenLOS
konzertreihe im brucknerhaus linz,
gestaltet von hannes raffaseder
grenzenLOS
programm
konzept
presse
raffaseder
brucknerhaus
links
22.02.2002, 19:30
efzeg
im
anschluss:
bruckners
club
digital music - digital art - digital date
04.03.2002,
19:30
ensemble
spektren
06.03.2002,
19:30
das
bösze salonorchester
& christof kurzmann
12.03.2002,
19:30
staTdT_kunst
multimedia_konzert von hannes raffaseder, doris winkler und kurt hörbst
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grenzenLOS - so lässt sich meine (Wunsch)vorstellung
von Musik am besten beschreiben. Die Suche nach dem "Neuen", die
aus meiner Sicht das Komponieren im vergangenen Jahrhundert bestimmt
hat, ist heute kaum mehr von Bedeutung. Es scheint viel zu schwierig
oder gar unmöglich geworden zu sein, überhaupt noch neues Klangmaterial
zu erfinden. Zielsetzung meiner kompositorischen Arbeit ist es daher
nicht primär, bisher ungehörte Klänge und musikalische Strukturen
zu erfinden. Vielmehr geht es darum, bereits vorhandene Materialen
zu hinterfragen, umzuformen, anders zu deuten, in einen ungewohnten
Kontext zu stellen, zu überlagern, zu verfremden, usw. Konsequenzen
daraus sind beispielsweise die Nutzung von Elektronik und der Austausch
mit anderen Kunstsparten.
Meine wichtigste Triebfeder ist Neugierde. Ich möchte fortwährend
Anderes (für mich Neues) ausprobieren, mich lieber möglichst gleichzeitig
auf unterschiedlichen Wegen und in verschiedene Richtungen fortbewegen,
als auf einer bekannten, abgesicherten, vielleicht ausgetrampelten
Spielwiese zu bleiben und so in Stillstand zu geraten. Also: Nicht
Neues schaffen, sondern Unbekanntes entdecken.
In der Musik ist heute Vieles vorhersehbar, berechenbar, austauschbar
geworden und so zur Ware, zum Gebrauchsgegenstand verkommen. Zu
selten werden wir zur Auseinandersetzung, zum bewussten Hinhören,
zum Neuerleben herausgefordert. Spannendes kann dort passieren,
wo nicht von vornherein alles klar ist, wo unterschiedliche Positionen
aufeinandertreffen, wo Fragen auftauchen. Ich versuche daher, mich
stets anderen Arbeitssituationen auszusetzen, für verschiedenste
"Anlässe" (Konzertmusik, Jazz, Bühnenmusik, Klanginstallationen,
multimediale Projekte,...) und unterschiedliches Publikum (musikalische
Erfahrung und Vorlieben, Alter, soziales Umfeld,...) zu komponieren,
mich in mehreren Stilen zu erproben, mit Jugendlichen zu arbeiten,
mit KolloegInnen zu kooperieren etc. So habe ich das Glück, dass
meine musikalischen Erfahrungen mittlerweile von Aufführungen im
traditionsreichen Wiener Musikverein bis hin zu experimentellen
Geräuschimprovisationen in Musikclubs der "Subkultur", von der Zusammenarbeit
mit einem renommierten Verlag bis zu Kontakten mit Independent-Labels
reichen.
Fehler, Irrtümer passieren dabei fast zwangsläufig, werden aber
- wie ich hoffe - auch rascher aufgedeckt. Ich kann, ich muss reagieren,
korrigieren, lernen. Ich bin gezwungen, in Bewegung zu bleiben,
mich zu verändern, weiterzuentwickeln! Die Erfahrungen und Erlebnisse
dieser musikalischen Entdeckungsreisen bzw. die Reaktionen und Kritiken
darauf prägen mein musikalisches Weltbild, an dem ich meine HörerInnen
teilhaben lassen möchte.
"grenzenLOS" ist somit für mich ein folgerichtiger, programmatischer
Titel für diese Konzertreihe, die ich für das Brucknerhaus konzipieren
durfte. Zugegebenermaßen sind Schlagworte wie Crossover, Offenheit,
Third Stream, etc. im Musikbusiness schon seit Jahren hoch im Kurs
und aus den Programmen nahezu aller Festivals, Veranstalter, Komponisten
und Ensembles nicht mehr wegzudenken. Obwohl die großen Errungenschaften
der akademisch geprägten, sogenannten "Neuen Musik" im vergangenen
Jahrhundert unbestritten sind und die kompositorischen und spieltechnischen
Möglichkeiten enorm erweitert und bereichert wurden, hat sie sich
in einer teils selbstgewählten Isolation festgefahren und wurde
bzw. wird - von einem kleinen, elitären Zirkel abgesehen - kaum
mehr wahrgenommen. Das Sprengen der engen Ketten, das Heraustreten
aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm, die Aufgabe kompositorischer
Verbote und Dogmen ist somit für das aktuelle Komponieren gleichermaßen
zu einer künstlerischen, wie gesellschaftlichen und leider auch
wirtschaftlichen Notwendigkeit geworden. Leider führen aber auch
diverse Crossover-Projekte selten zu befriedigenden Ergebnissen
und sind meist zum Scheitern verurteilt, weil oft einfach andere
Musikstile oder aktuelle Trends völlig unreflektiert übernommen
werden. Durch dieses Zitieren, ohne die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen
zu beachten, gehen aber die ursprüngliche Kraft und die Qualität
schnell verloren. Um sich in einem fremden Umfeld bewegen zu können,
bedarf es einer genauen Kenntnis der dort geltenden Gesetze, Regeln
und Bedingungen. Diese zu akzeptieren und mitzudenken, heißt aber
keineswegs, sich bedingungslos anzupassen und unterzuordnen. Es
geht also nicht um Assimilation, sondern um Integration: Ein auf
gegenseitigen Austausch aufbauendes Neben- oder Miteinander gleichberechtigter
Kulturen und musikalischer Stile und Traditionen ist das vorrangige
Ziel.
Mit "grenzenLOS" verbinde ich also keinesfalls ein bequemes, billiges,
populistisches, Quoten haschendes Anbiedern an erfolgreiche Strömungen,
sondern den Versuch, auch andere musikalische Sprachen zu erlernen,
sowohl um zu verstehen als auch um sich verständlich zu machen.
Alle - KomponistInnen, InterpretInnen, Veranstalter, KritikerInnen
und HörerInnen - sind herzlich eingeladen, an einem spannenden Lernprozess,
einer aufregenden Entdeckungsreise teilzunehmen!
Hannes Raffaseder, Dezember 2001
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